Das
Lebensmittelsortiment - tatsächlich "gentechnik-frei"?
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Verzichtserklärungen von Handel und Herstellern lassen
viele Fragen offen. (Oktober 1999)
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Einerseits: Lebensmittelhandel und viele
herstellende Unternehmen erklären öffentlich,
keine gentechnisch veränderten Zutaten mehr zu
verwenden. Greenpeace gratuliert sich selbst und
der Lebensmittelbranche, dass es gelungen sei,
das Sortiment weitgehend „gentechnikfrei"
zu halten.
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Andererseits: Die Anbauflächen für
gentechnisch veränderte Pflanzen sind 1999
weltweit noch einmal gestiegen. Der Einsatz der
Gentechnik bei der Herstellung von
Lebensmittelenzymen setzt sich immer mehr durch.
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Die Öffentlichkeit und viele
Konsumenten sind verwirrt; die Lage ist unübersichtlich.
Wem ist zu glauben? Ist die Gentechnik weiter
auf dem Siegeszug oder schon am Ende? Gibt es überhaupt
genug „gentechnikfreie" Rohstoffe auf den
Weltmärkten, um die deutsche und europäische
Lebensmittelindustrie zu versorgen?
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Sicher ist: Nach dem Rückzug des Nestlé-Butterfingers
gibt es kaum noch Produkte mit Kennzeichnung.
Das bedeutet jedoch nicht, dass damit auch die
Gentechnik im Lebensmittelbereich verschwunden
ist.
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Dieses TransGen-Dossier untersucht die
aktuelle Situation in den Marktsegmenten Soja,
Mais und Enzyme/Zusatzstoffe.
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Soja: Aufpreise für gentechnikfreie Rohwaren
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In den USA hat die Sojaernte
begonnen, die Silos im mittleren Westen füllen sich. Auf
55-60% ist inzwischen der Flächenanteil gestiegen, auf
dem gentechnisch veränderte Sojabohnen heranwachsen. Als
im Frühjahr 1999 ausgesät wurde, sahen die
amerikanischen Sojafarmer keinen Anlass, ihre Praxis zu ändern:
Bis auf ein neues Gen, das den Pflanzen eine Resistenz
gegen Herbizide verleiht, gelten gentechnisch veränderte
und konventionelle Sojabohnen als gleichwertig. Daher
werden beide "Qualitäten" bei der Ernte nicht
getrennt; sie vermischen sich beim Transport, im Verlauf
von Lagerung und Verarbeitung. 10 Mio. t Soja liefern die
USA jährlich in die Europäische Union.
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Ohne Logistiksysteme, die beide Stoffströme
vom Feld bis zum Endverbraucher voneinander getrennt führen,
besteht die gesamte Sojaeinfuhr aus den USA zwangsläufig
zu einem Anteil aus gentechnisch veränderten Pflanzen.
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Erst nach der 1999er-Aussat, vor
allem unter dem Druck der öffentlichen Meinung in Großbritannien,
erklärten viele Unternehmen der europäischen
Lebensmittelwirtschaft, künftig auf Rohstoffe aus
Gen-Soja und Gen-Mais zu verzichten. Plötzlich hatte sich
eine große Nachfrage nach "gentechnik-freien"
Soja-Rohstoffen entwickelt.
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Vieles deutet darauf hin,
dass diese Nachfrage nur zu einem geringen Anteil gedeckt
werden kann. |
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Um tatsächlich "gentechnik-freie"
Soja zu erzeugen, muss ein Vertragsanbau
vereinbart werden, in dem die Aussaat
konventioneller Sorten festgelegt ist. 1999 gab
es nur vereinzelt einen derartigen
Vertragsanbau. Auch wurden die erforderlichen
separaten Lager- und Transportkapazitäten für
die "gentechnik-freie" Ernte nicht
rechtzeitig aufgebaut.
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Inzwischen bieten Agrarhändler den US-Farmern Preisaufschläge
(5-25 cts/bushel) für "gentechnik-freie"
Sojabohnen mit Zertifikat. Auch dies deutet
darauf hin, dass die Nachfrage nach
konventionellen Sojabohnen deutlich höher ist
als das Angebot.
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Von den Preisaufschlägen profitieren vor allem
die STS-Sojabohnen des Agrokonzerns DuPont, die
ebenfalls eine Resistenz gegen ein Herbizid (Synchrony)
besitzen. Anders als bei den Roundup-Ready- Sojabohnen
von Monsanto ist diese Resistenz nicht mit
gentechnischen Verfahren erzeugt worden.
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Erst im nächsten Jahr wird sich die Lage
ändern. Bis dahin sind die technischen und logistischen
Voraussetzungen vorhanden, um "gentechnik-freie"
Sojabohnen in größeren Mengen nach Europa und Asien zu
exportieren.
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Auch die anderen Soja-Erzeugerländer können
nur bedingt die Nachfrage nach "gentechnik-freien"
Rohstoffen decken: Argentinien (Export in die EU
ca. 5 Mio.t) hat im Frühjahr 1999 zu einem Anteil von
50-60% gentechnisch veränderte Sojabohnen geerntet. Wie
in den USA werden diese nicht von der konventionellen
Ernte getrennt.
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Brasilien (ca. 2 Mio. t ) hat
inzwischen die herbizid- resistente Roundup-Ready-Sojabohnen
ebenfalls zugelassen. Jedoch blockiert eine noch nicht
entschiedene Klage vor einem Bundesgericht, dass sie
bereits in der im Herbst 1999 beginnenden Saatperiode
verwendet werden dürfen. Bisher ist Soja aus Brasilien
"gentechnik-frei". Allerdings importierte
Brasilien 1998 aus den USA 1,5 Mio. t Soja, um den eigenen
Lieferverpflichtungen nachkommen zu können. Zudem soll
Gerüchten zufolge gentechnisch verändertes Soja-Saaatgut
in nicht unerheblichen Mengen aus Argentinien ins Land
geschmuggelt werden.
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Fazit: Die Nachfrage nach "gentechnik-freien"
Soja-Rohstoffen übersteigt offenbar das
Angebot. Außerdem haben vermutlich einige
große Lebensmittel- hersteller etwa beim
Sojalecithin "gentechnik-freie" Bestände
aus früheren Ernten aufgekauft. Es dürfte
daher vielen Unternehmen schwer fallen, auf
Zutaten aus Gen-Soja vollständig zu verzichten.
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Viele Futtermittel, die indirekt an der
Erzeugung vieler tierischer Lebensmittel
beteiligt sind, enthalten Sojabestandteile. Auch
hier ist der Verzicht auf Gentechnik nur mit
hohem und kostspieligem Aufwand zu realisieren.
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Mais: US-Importe nach Europa im Sinkflug
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Ganz anders ist die Situation beim Mais.
Verglichen mit Soja sind US-Mais-Exporte in die EU
wirtschaftlich weniger bedeutend.
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Beim Mais sind in den USA derzeit 11
verschiedene gentechnisch veränderte Sorten bzw.
Genkonstrukte zugelassen, in der EU dagegen nur vier.
Weitere Zulassungen sind nicht in Sicht. Die gerade in den
USA eingebrachte Maisernte besteht schon zu ca. 35 % aus
transgenen Pflanzen, darunter auch jene sieben
gentechnisch veränderten Sorten, welche in Europa noch
nicht zugelassen sind. In den USA wurden diese 1999 auf
einer Fläche von 1,5 Mio. ha angebaut.
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Mais-Importe nach Europa sind nur
rechtmäßig, wenn sie ausschließlich aus Sorten stammen,
die in der EU zugelassenen sind. Ihre vollständige
Trennung von den übrigen transgenen Sorten erscheint
jedoch aufwendig und technisch kaum möglich. Ohne
Garantien ist vielen Agrarhändlern das Risiko zu groß,
dass in US-Importen nicht genehmigte Maissorten
nachgewiesen werden und die europäischen Behörden ihre
Einfuhr verbieten.
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Das Hauptproblem ist nicht die generelle
Trennung von konventionellem und gentechnisch verändertem
Mais, sondern die Bedingung, dass keine Körner oder
Kolben nach Europa gelangen, die dort nicht verkehrsfähig
sind. Die Folge: Die Einfuhr von US-Mais in die EU sinkt
rapide; sie ging von 2,7 Mio. t (1996/97) über 1,3 Mio. t
(1998/99) auf vermutlich nur noch 0,8 Mio. t in diesem
Wirtschaftsjahr zurück. Im nächsten Jahr, so wird
erwartet, wird aus USA kein Mais importiert werden.
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Bei Mais ist die EU nahezu
Selbstversorger. Nur Spanien und Portugal führen jährlich
2,0 Mio.t Mais ein, traditionell aus den USA, zunehmend
jedoch aus Argentinien und Osteuropa.
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Fazit: Die Mais-Einfuhren aus USA in die EU
sind deutlich gesunken und fallen kaum noch ins
Gewicht. Rohstoffe aus Mais sind in Europa daher
in der Regel "gentechnik-frei" und
stehen in genügenden Mengen zur Verfügung. Lediglich
in Spanien wird auf 25.000 ha gentechnisch veränderter
Mais (mit Bt-Insektenresistenz) angebaut, dazu
ca. 500 ha Versuchsanbau in Deutschland.
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Enzyme, Aromen, Zusatzstoffe - Gentechnik kein Thema
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Gentechnische Verfahren sind bei der
Herstellung von Enzymen, Vitaminen, Aromen und
Zusatzstoffen längst etabliert sind. Die Verzichtserklärungen
von Handel und Herstellern klammern diesen
Anwendungsbereich mehr oder weniger bewusst aus.
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Enzyme werden heute zunehmend mit Hilfe
gentechnisch veränderter Mikroorganismen
gewonnen. Etwa bei der Stärkeverzuckerung
sind einzelne Enzyme nur noch gentechnisch
hergestellt erhältlich. Eine Reihe von Enzymen,
die bei einer Vielzahl von Produkten und Zutaten
beteiligt sind, können inzwischen gentechnisch
produziert werden, etwa Amylasen
(Backwaren, Alkoholindustrie), Pektinasen
(Fruchtsaft), Xylanasen
(Backwaren) und Chymosin
(Käse).
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Für die Vitamine
B2 und B12 sind gentechnische Verfahren weit
verbreitet.
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Zusatzstoffe wie Nisin,
Beta-Carotin,
Lysozym
oder Xanthan
können mit gentechnisch veränderten
Mikroorganismen hergestellt werden, ebenso
verschiedene Aminosäuren,
die etwa in Süßstoffen (Aspartam)
oder Geschmacksverstärkern (Glutamat)
enthalten sind.
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Aromen
werden bisher in aller Regel noch nicht aus
gentechnisch veränderten Mikroorganismen
gewonnen, doch auch hier können gentechnische
Verfahren oder gentechnisch gewonnene Substanzen
beteiligt sein. |
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Über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten
der Gentechnik in diesem Bereich informiert die TransGen-
Datenbank, vor allem zu Zutat/Zusatzstoffen und Enzymen.
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Verzicht auf Gentechnik - aber kaum präzise Informationen
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Bei genauerer Prüfung zeigt sich, dass
die in der Öffentlichkeit verbreiteten Erklärungen der
Lebensmittel- wirtschaft kaum präzise beschreiben, auf
welche gentechnische Anwendungen sich ihr Verzicht bezieht
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auf alle Zutaten und Zusatzstoffe, bei denen die
Gentechnik beteiligt war, also auch Enzyme,
Zusatzstoffe oder Aromen;
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auf alle Zutaten und Zusatzstoffe, die aus
gentechnisch veränderten Pflanzen - konkret:
Mais oder Soja - stammen;
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oder nur auf solche Zutaten aus gentechnisch veränderten
Pflanzen, die unter die gesetzliche
Kennzeichnungspflicht fallen.
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Einige Erklärungen sprechen von
"Bestandteilen aus gentechnisch veränderten
Pflanzen", andere von "gentechnisch veränderte
Zutaten" oder gar "Zusatz- stoffen".
Einiges deutet darauf hin, dass die Hersteller etwas
anderes meinen als es in den öffentlich verbreiteten
Presseerklärungen der Kritikergruppen - vor allem
Greenpeace - zum Ausdruck kommt.
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Trotz einer rasanten Entwicklung bei den
Analyse- methoden ist es bei vielen gentechnischen
Anwendungen immer noch schwierig, sie im Endprodukt
nachzuweisen. Dies ist nur möglich, wenn dort noch DNA
aus einem gentechnisch veränderten Organismus vorhanden
ist. Oft wird die DNA jedoch im Verlauf der Verarbeitung
der jeweiligen Rohstoffe, etwa durch Hitze oder Behandlung
mit Säuren der Lösungsmitteln, vollständig zerstört.
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Fazit: In diesem Jahr sind "gentechnik-freie"
Rohstoffe auf Sojabasis knapp; die Nachfrage ist
weitaus höher als das Angebot. Mais-Zutaten
ohne Gentechnik sind in ausreichenden Mengen erhältlich.
Enzyme, Vitamine und Zusatzstoffe, die unter
Einsatz gentechnisch veränderter Mikro-
organismen hergestellt werden, sind so weit
verbreitet, dass ein Ersatz durch
„konventionelle" Produkte kaum oder nur
mit einem hohen Aufwand zu realisieren ist.
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Gentechnische Anwendungen sind im
Lebensmittelsortiment weiterhin präsent.
Vermieden werden in erster Linie kennzeichnungs-
pflichtige Zutaten aus Gen-Mais und Gen-Soja.
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